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Mittwoch, 11. September 2013

ab ins Krankenhaus - Teil VI: ab nach Hause?

Gegen sechs Uhr - boah, voll meine Uhrzeit! - wurde ich wach. Es war nicht so, das ich komplett von zwölf nachts bis jetzt durchgepennt hätte, nein. Ich war zwei Mal nachts aufgewacht, hatte mich unter einigem Kraftaufwand (wegen steifem Nacken-/Schulterbereich) auf die andere Seite gehievt, und dann doch recht ruhig, fest und tief geschlafen. Wen wundert's? Um besagte Uhrzeit fühlte ich die Lebensgeister in mir erwachen. Ich ging duschen. Das Duschgel, wenn auch ein wenig penetrant zwar, roch herrlich nach den chemischen Ingredenzien von Honig und Milch. Wohltuender Duft, angesichts des sonst eher sterilen Aromas, das in der Luft hing. Nun wollte ich nur noch eines: lesen! Während ich vertieft und völlig verzückt weiter der Geschichte um den
kleinen Homer Wells & Dr. St. Larch folgte, wurde - es war bereits hell draußen, eine Tatsache, die unmerklich an mir vorübergegangen war - das Frühstück gebracht. Da ich allein auf dem Zimmer war, bat ich den Pfleger (nicht der Ricardo), mir das Essen am Tisch zu kredenzen. Ich wollte nur noch "die eine Seite" zuende lesen (na, wer von euch kennt das? Auch bekannt unter dem Namen "nur noch diesen Absatz" aka "nur noch dieses eine Kapitel"), und mich dann zum gemütlichen Frühstück am Tisch niederlassen.
Doch ehe es dazu kam, ging die Zimmertür auf, und ein weinendes, in sich gesacktes Häufchen Elend mit Namen Mädchen-von-ungefähr-12-Jahren und ihre Mutter kamen herein. Die Schwester zog rasch die Plastikplane - mit der ich selber zwei Tage zuvor persönlich Bekanntschaft hatte machen dürfen - vom Bett, bat die Kleine, sich hinzulegen während die Mutter die Sachen im Schrank verstaute, und huschte rasch wieder aus dem Raum. Ich war nicht so erfreut über die neue Bettgenossin --- weniger wegen meines verpatzten Frühstücks, als mehr angesichts des Mädchens, das mir, gefühlsduselig wie ich bin und zudem hochsensibilisiert durch die Stelle im Roman, an der ich gerade verweilte, das Herz brechen ließ bei ihrem Anblick. Nach außen hin aber hart und zäh wie ein Kauknochen aus Gummi, lenkte ich meine Gedanken wieder ganz auf die Geschichte in meinen Händen.

Meine Nervosität stieg, je weiter der Morgen voranschritt, und nachdem ständig Pfleger und Schwestern ins Zimmer stürmten, um sich um den Neuankömmling zu kümmern, lagen meine Nerven irgendwann einfach wieder - genau! - blank. Das ich ein ausgesprochen dünnes Nervenkostümchen habe, wisst ihr ja mitterweile, geneigte LeserInnen und Leser, doch dieser Morgen ließ jede Faser meines Körpers beben und erzittern. Als endlich die Tür für mich aufging, weil die Blutabnahme anstand, hielt ich es kaum noch im Zimmer aus. Diesmal war die Dame, die mich besuchte, eben jene, die am Tag zuvor mit der Stationsärztin unterwegs gewesen war, und die heute alleine ihren Weg durch's Haus finden mußte.
"Ich bin auch erst seit einer Woche hier, da muß ich mich erst an die Gepflogenheiten gewöhnen," sagte sie, während sie nach einer Ader tastete. Und: "Was lesen Sie da? -" um nach einem Blick auf das Buchcover lächelnd zu sagen: "- ah, den tollen John Irving!" Das hob meine Laune sichtlich, und ich übersah, das sie nicht recht geübt war in Sachen Blutabnahme. "Dann schauen wir mal, wie das Ergebnis ist!" sagte sie, wünschte einen guten Tag und zog von Dannen.
Also wieder abtauchen ins Buch, während ich auf den nächsten Besuch wartete. Ich wollte nach Hause, heute mehr denn am Tag zuvor schon, da ich es nicht ertragen würde, ein weinendes Mädchen auf dem Zimmer zu haben, das nachts nicht würde schlafen können. Mein Mutterinstinkt war bereits angesprungen, seit sie kurz nach Ankunft schon in den OP geschoben worden war, weinend, natürlich, und wer mag es dem jungen Ding verdenken? Endlich kam die nächste Schwester herein, die mit den Tabletten (von denen ich am Vortag drei oder vier gegen die Schmerzen auch tatsächlich eingenommen hatte, zur eigenen Verwunderung, denn ich verweigere Tabletten fast gänzlich), und diese junge Frau übertraf alles an strahlenden Lächeln und Liebenswürdigkeit, das ich bis dahin in diesem Krankenhaus hatte erleben dürfen.
"Ei, Sie sehen heute ja schon tausendmal besser aus als gestern! Super!" Sie legte die Pillen auf dem Nachttisch ab und lächelte mich an, mit einem leichten Augenzwinkern. "Gell, mal an die Luft, an die Sonne, raus hier und eine rauchen, da fühlt man sich wie neugeboren!"
Ich konnte ihr nur beipflichten, absolut Recht hatte sie!
"Wenn die Blutwerte in Ordnung sind, dann können Sie bestimmt nach Hause gehen," sagte sie noch, ehe sie sich von mir verabschiedete. Mittlerweile war mir die an den Tag gelegte Höflich- sowie Freundlichkeit, der fast schon freundschaftliche Umgangston hier nicht mehr ganz so unheimlich wie noch am Vortag. Doch nach diesem Satz wurde ich noch hibbeliger. Ich wollte endlich raus, in die Sonne, rauchen - klaro! - und vor allem: nach Hause! Jammer!

Als Ralfi gegen zehn eintrudelte, gingen wir raus ins schöne Rondell, setzten uns auf zwei Kippchen in die Sonne, und redeten nicht viel. Er sowieso net, ich aber auch entgegen gewohnter Manier nur sehr wenig. Ich sagte ständig, das ich Angst habe, doch nicht heute heim zu können, und er tat das ab, mit einer Handbewegung, als wische er meine Bedenken damit auch einfach fort. Wir gingen wieder hoch, ab auf's Zimmer, denn ich wollte die Ärztin bzw. den Chirurgen nicht verpassen. Also fragte ich zwischenzeitlich die schwäbische Schwester Superlieb, wann ich mit einem aussagekräftigen Besuch rechnen könne. Sie meinte, bald, nach der OP am Vormittag ebend. Und so warteten wir. In Ralfis Rauchpausen las ich ein wenig, und nachdem dann das Mädchen, am Kopf verbunden, rundherum um die Ohren, wieder auf's Zimmer geschoben wurde, war ich des Lesens nicht mehr mächtig. Die Nervosität war zu stark, als das ich mich noch auf irgendetwas hätte konzentrieren können.

Es muß gegen zwölf gewesen sein, als ich dachte, ich gehe nochmal eine rauchen. Doch vorsichtshalber frug ich Schwester Superlieb, wie es aussehe, das ich heim könne. Ich hibbelte mit allem, was ein Körper zum Hibbeln bietet: Kopf, dieser zwar nur schwer, aber er hibbelte über alle Maßen, mit den Armen, Händen, Beinen. Sie warf einen Blick auf ihren PC-Monitor, sagte, das könne nicht mehr lange dauern. Die liebe Tabletten-Schwester saß neben ihr, und sie sagte, sie könne mal nachfragen. Doch Schwester Superlieb übernahm dieses lieber selber, klemmte sich ans Telefon und fragte nach, wie die Blutwerte seinen. Die Calcium-Werte, um genau zu sein.
"Aha, desch sieht doch gudd aus!" sagte sie, strahlte mich an, als hätte ich höchstpersönlich die Sonne aufgehen lassen, und sagte dann:
"Allesch in Ordnung. War der Doktor scho' da und hat Ihne' die Pabiere gebbe?"
Ich schüttelte den Kopf und sagte, die Enttäuschung überspielend: "Nee, der war heute morgen bei mir und meinte, er würde vor Mittag nochmal reinschauen."
"Ei jo, dann wird er glei' komme' - oder, wardd' mal, ich frag mal na'!"
Wieder klemmte sie sich den Telefonhörer ans Ohr. "Ja - ja, isch' gudd. Ja, okay."
"Der Doktor kommt glei', er isch grad auf'm Sprung. Und dann könned Sie heim, gelle!"
Sie strahlte, ich strahlte, die Tabletten-Schwester strahlte, alle strahlten.
Keine zwanzig Minuten später kam der Doktor Chirurg herein, mit einem Briefumschlag in der Hand, lächelte mich wieder großväterlich an, erklärte mir, ich könnte normal essen, trinken, sprechen, den Kopf bewegen, und teilte mir mit, wann ich bei ihm zur Nachuntersuchung anzutanzen habe. Und dann reichte er mir mit einer freundschaftlich anmutenden  - wie ja alles hier im Hospital - Geste die Hand, und entließ mich nach Hause.

Und da bin ich nun, meine Lieben, und erfreue euch mit einem endlosen Gebrabbel über an sich nur 52 Stunden Krankenhausaufenthalt! ;)

Ich hoffe, ich konnte denen unter euch, die ebenso furchtbare Angst vor einer OP oder einem Krankenhausaufenthalt haben, wie ich ihn hatte, ein wenig die Panik nehmen. Es geht immer weiter, und denkt daran: alles wird gut!

Eure Soda. :O)

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